Guten Morgen.
Es ist sicherlich keine Überraschung, dass die Kulturbetriebe nicht gerade die Speerspitze der Digitalisierung ausmachen. Dies ist insofern nicht tragisch als dass ein Museum ja schon per Definition dem Anspruch von Tagesaktualität nicht genügen kann. Es ist also weder notwendig noch zwingend wünschenswert, wenn Museen und Kultureinrichtungen auf jeden digitalen Trend aufspringen und ihn sofort in ihre Marketing- und Vermittlungsstrategien integrieren. Damit würden sie sich viel zu sehr zum Kasper einer hyperaktiven ADS-Gesellschaft machen, eine Rolle die von anderen Medien und der Werbeindustrie eigentlich schon gut genug ausgefüllt wird. Allerdings darf man natürlich auch nicht völlig den Anschluss verlieren und sollte sich zumindest hintergründig Gedanken um die eigene digitale Strategie machen. Christian Henner-Fehr plädiert in seinem Beitrag zum „digitalen Erlebnisraum“ ebenfalls dafür, nicht mehr für jedes Museum eine eigene App zu gestalten, die Zeit dafür sei mittlerweile wohl eher abgelaufen. Heute bestünde die Aufgabe vielmehr darin, einen Erlebnisraum zu schaffen, der die Besucher dazu anhält, von sich aus über das Museum zu berichten (Stichwort: „Earned Media“). Um das zu erreichen, ist aber zuerst ein „soziales Objekt“ vonnöten, um das herum der digitale Erlebnisraum geschaffen werden kann. Die Institutionen brauchen also zuerst eine Beschäftigung mit ihren eigenen Inhalten, bevor sie sich an die digitale Vermarktung setzen.
Wer an Romane denkt, die sich mit Überwachung und Unterdrückung in totalitären Systemen beschäftigen, denkt fast automatisch – und zu Recht – an 1984. So prägnant und erschreckend aktuell, wie Orwell die total Überwachung und Bespitzelung der Bürger in einem faschistisch-allmächtigen Staat beschrieben hat, ist es wohl bisher keinem Autor wieder gelungen. Dennoch ist das Thema mit 1984 nicht abgeschlossen. Hannah Komrowski stellt in der Kritischen Ausgabe den Roman Paranoia von Viktor Martinowitsch, der in seiner Konstellation – Liebespaar im totalitären Staat – dem Gerüst von 1984 recht ähnlich ist. Auch Martinowitsch versetzt seine Handlung an einen fiktiven Ort, doch ist dieser im Gegensatz zu Orwell sehr deutlich als Minsk, Weißrussland, zu erkennen. Martinowitschs Heimat, in der seit 1994 Aljaksandr Lukaschenka, der „letzte Diktator Europas“, herrscht, ist wie die Gesellschaft im Roman geprägt von einem Klima der Angst, Paranoia und vorauseilendem Gehorsam. Geschürt wird dieses Klima von der ständigen Androhung staatlicher Repressalien, die auch Martinowitsch zu spüren bekam. Bereits kurz nach der Veröffentlichung war sein Roman, der jetzt auf Deutsch erschienen ist, aus den Buchhandlungen verschwunden. Ein offizielles Urteil habe es nicht gegeben, der Verkauf war einfach verboten worden.
In der vergangenen Ausgabe der Zeit sprach Iris Radisch mit Michel Houellebecq über dessen Roman Unterwerfung und die aktuelle Stimmung in Frankreich. Obwohl das Interview nicht allzu viel Neues ergab, so ist doch unterhaltsam, wie lakonisch und ungerührt sich Houellebecq dagegen wehrt, als Autor die Positionen seiner Romanfiguren einzunehmen. Schon erstaunlich, dass die Trennlinie zwischen Autor und Werk noch immer mit voyeuristischer Neugier übertreten wird. Frau Radisch sollte das eigentlich besser wissen.