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Montagskaffee #13

Guten Morgen.

Nachdem nun schon vor einer ganzen Weile der Spiegel über Sascha Lobos und Christoph Kappes neues Projekt Sobooks berichtet hat (die wichtigsten Punkte des Artikels gibt es übrigens auch hier, hübsch kommentiert, im Sobooks-Blog), sollte das – da mittlerweile gestartet und laufend – auch hier eine Erwähnung finden. Was Lobo als den „Buchmarkt nach Amazon“ bezeichnet, ist eine Plattform, auf der gegen den geringen Einsatz der persönlichen Daten (und natürlich des Kaufpreises) Bücher, vielmehr E-Books, besprochen, geteilt, „geliked“ und kommentiert werden können. Der Clou ist dabei nicht die Konzentration auf die E-Books, sondern der plattformübergreifende Ansatz, der auch diejenigen unter uns ansprechen soll, die sich bisher aus vielseitigen Gründen Kindle, Tolino und Konsorten verweigert haben. Sehr löblich. Nun fehlen nur noch die Inhalte, die nach Abschluss einer Fehlerbeseitigungsinitiative nachgereicht werden sollen. Klingt fast so, als habe man das Konzept „Early Access“ auf die Buchbranche übertragen. Kuriose Randnotiz: Die Präsentation des digitalen E-Book-Projekts fand beinahe klassisch analog auf der Frankfurter Buchmesse statt. Man hätte ja auch eine Videokonferenz mit Live-Tweetup erwarten können.

Auf der Plattform Slashdot stand kürzlich Warren Ellis Leserfragen Rede und Antwort. Dabei sprach er auch über Adaptionen seiner Werke in anderen Medien, und wie er mit Ansprüchen und Enttäuschungen umgeht. Für Ellis sei das weniger ein Problem, als etwa für seinen Kollegen Alan Moore, auch wenn Interviewer Moore oft zum „Grumpy Wizard Of Northampton Cave“ stilisieren würden. Ja, der Film RED sei leichter gewesen, als seine Graphic-Novel-Vorlage. Aber Ellis sei bereit, seine Werke zur Adaption freizugeben, um anderen ihren Blick auf seine Geschichte zu ermöglichen. Interessanterweise hat auch Moore selbst in einem Interview jüngst über das Thema sehr ausführlich gesprochen, dies lässt sich im Originalton als Podcast in der Reihe Distraction Pieces nachhören, wo demnächst hier ein Interview mit Ellis zu hören sein wird ist.

Hat sich eigentlich schon jemals jemand gefragt: „Was macht der Jonathan Meese eigentlich gerade?“ Nun, eine gute Frage. Zuletzt hat man ihn in Bayreuth entlassen, nachdem der Festspielleitung Meeses Vorstellungen von Bühnenbild und Ausstattung für die Parsifal-Neuinszenierung 2016 „zu teuer“ waren. Meese selbst sieht das selbstverständlich nicht so, wittert Intriege und hält die Geldsorgen für vorgeschoben, weshalb er jetzt die Gelegenheit genutzt hat, auf dem Literaturfest München das ihm zur Verfügung stehende Mikrophon mit Beleidigungen und Tiraden vollzuspeicheln. „Kulturarschkriecher“, „Kunsthasser“ ruft er da in Richtung des grünen Hügels und ereifert sich – der obligatorische Hitlergruß inklusive – über das herrschende „miese, optimierte Mittelmaß“ und dass man beim Wagner-Clan bald eine „Götterdämmerung“ erleben werde. Liest sich launig und bedeutungslos und man darf sich gerne fragen, wer von den Rinnsteinschlagzeilen mehr profitiert, Meese oder Bayreuth.


Montagskaffee #6

Guten Morgen.

Revolte! Die versammelten Redakteure des „Spiegels“ haben in der vergangenen Woche ihrem Chefredakteur die rote Karte gezeigt und gemeinsam gegen dessen Pläne eines „Spiegel 3.0“ gestimmt. In der FAZ lässt sich nachlesen, welch komplizierte Strukturen hier aufeinander prallen und weshalb eine Umstrukturierung des Magazins zum „Hauen und Stechen“ ausarte. An der Auseinandersetzung, die nicht zuletzt Chefredakteur Wolfgang Büchner den Job kosten könnte, zeigt sich die ganze Emotionalität des Konfliktes zwischen etablierten Rechercheredaktionen und schnelllebiger Online-Redaktion. Wie beide Lager zu vereinen sind, das ist jetzt ganz Aufgabe der Chefredaktion unter Büchner und Geschäftsführer Ove Saffe, die Gesellschafter haben sich nämlich geschlossen hinter die Neuerungspläne gestellt – und die Aufgabe der Vermittlung mit den Redakteuren ebenso geschickt abgegeben.

In der bunten Welt der Comicverfilmungen gibt es ab dieser Woche einen neuen Mitspieler, besser eine ganze Gruppe neuer Mitspieler: Marvels „Guardians of the Galaxy„. Bunt, lauter und nun mit einem frech-niedlichen Waschbären als Protagonist versucht Hollywood durch das Aufkochen einer durchaus schon älteren, aber in der Regel weniger beachteten Comicreihe neuen Wind in die etablierte Comicvielfalt zwischen Spider Man und Captain America zu bringen. Sophie Charlotte Rieger zeigt auf „filmosophie„, weshalb sie mit dem Film und seinem Informations- und Effektbombardement nicht einverstanden ist. Fehlende Einführung, klassische Geschlechterklischees und die Verharmlosung der brutalen Gewaltdarstellung sind ihre Hauptkritikpunkte.

Noch einmal zurück zum Kampf Analog gegen Digital. In der „taz“ schrieb jüngst Johannes Thumfart ein Loblied auf die Möglichkeiten und Inklusivleistungen des E-Books. Jetzt antwortet ihm Sonja Vogel und relativiert seine euphorischen Theorien. Das E-Book sei mitnichten besonders inklusiv, hinter den vermeintlich günstigen Produktionskosten stecke lediglich das kommerzielle Interesse von Großhändlern wie Amazon. Sie kommt dabei zu einem wichtigen Schluss: Natürlich gebe es bei E-Books weder Druck- noch Lagerkosten – doch die würden auch bei konventionellen Büchern nur einen geringen Teil der Kosten ausmachen. Teuer seien Lektorat, Honorare, Öffentlichkeitsarbeit und Autorenbetreuung – Punkte, auf die Verlage auch bei E-Books nicht verzichten können. Kaum ein Buch werde druckfertig geschrieben, und kaum ein Autor schafft es, sich im reinen Selbstvertrieb gegen die Marketingmaschinen etablierter Großhändler und Verlage durchzusetzen.


Montagskaffee #3

Guten Morgen.

Vor genau 100 Jahren, am 28. Juli 1914, begann nach dem Attentat auf den österreich-ungarischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand der Erste Weltkrieg. Mehr als vier Jahre lang hielt das erstmals mit modernen technischen Mitteln ausgeführte Menschenschlachten Europa in seinem eisernen Griff. Der Krieg kostete nicht nur mehr als 17 Millionen Menschenleben, sondern brachte auch eine unvorstellbare Entwertung des Individuums durch die Industrialisierung des Tötens und weitete den Kampf neben Boden und See auch auf die Luft aus.

Aus Anlass dieses unrühmlichen Jubiläums gibt es zurzeit allerorten Retrospektiven, Dossiers und jede Menge neue Fachbücher, von denen Christopher Clarks Bestseller Die Schlafwandler sicher am intensivsten diskutiert wurde. Ebenfalls in aller Munde ist Erich Maria Remarques Klassiker Im Westen nichts Neues, von dem jüngst eine Neuinterpretation in Form einer Graphic Novel von Peter Eickmeyer erschien. Der zuvor nur als Maler bekannte Autor hinterlegt eine gekürzte Fassung des Romans mit eindrucksvollen Bildern, schrammt damit aber am Anspruch, eine Graphic Novel zu sein vorbei – wie Ute Friederich in der „Kritischen Ausgabe“ begründet.

Ich persönlich empfehle als Lektüre Schönheit und Schrecken von Peter Englund. Darin entwirft er eine eindrucksvolle Chronik der Kriegsereignisse aus der Sicht von 19 Einzelfiguren, die auf authentischen Dokumenten und Tagebuchaufzeichnungen beruht. Englund ermöglicht damit Einblicke in Kriegsschauplätze, die in den meisten Darstellungen des Ersten Weltkrieges nur spärlich betrachtet werden und in das Leben und Sterben einzelner Individuen wie der Schülerin Elfriede Kuhr im ostpreußischen Schneidemühl oder dem italienischen Infanteristen Vincenzo D’Aquila an der Isonzofront. Englunds Buch ist keines über das Warum des Krieges, sondern über sein Wie und Wen er betraf. Seine Portraits sind kleine Schlaglichter in das Dunkel des Massensterbens.


Montagskaffee #2

Guten Morgen.

In der nun eigentlich schon längeren Tradition von weiblichen Superhelden will nun auch Marvel mitmischen und geht einen gewagten Schritt: Thor, der nordische Donnergott mit Eisenhammer, zuletzt übermaskulin verkörpert von Chris Hemsworth, wird kurzerhand zur Frau. Genderbend nennt sich das, was in der Cosplay-Szene schon länger umgesetzt wird. Schade eigentlich, dass die FAZ das Thema nur mit einem vor abgegriffenen Geschlechterklischees triefenden Artikel behandelt.

[Nachtrag]: Tim Buckley führt etwas genauer aus, weshalb er die plötzlichen Bemühungen Marvels um mehr Diversität für unausgegoren hält – und zeichnet dazu auch einen netten Comic.

Bleiben wir noch kurz bei Filmen. Wer gerne Verrisse liest, für den ist mit Transformers 4: Ära des Untergangs gerade genau der richtige Film erschienen. Die beste Einschätzung stammt meiner Meinung nach von Alan Jones: „The cinematic equivalent of being repeatedly hit over the head with a food mixer.“ Nur bei Axel Springer hält man die 165 Minuten Nonsens für einen „Knaller„. Überraschung.

Bereits am Freitag hätte Hunter S. Thompson seinen 77. Geburtstag gefeiert. Grund genug für die LA Times, sein Werk zu feiern und vier „Must Reads“ vorzustellen. Runder hingegen wäre der 80. Geburtstag Uwe Johnsons, den dieser am Sonntag gefeiert hätte. Sabine Vogel ehrt den schon 1984 verstorbenen Autor in der Berliner Zeitung mit einer anerkennenden Rekapitulation seines zerrissenen Lebens.

Ebenfalls am Sonntag jährte sich das Attentat vom 20. Juli zum 70. Mal. Das mittlerweile zum Leitmotiv des Widerstands im „Dritten Reich“ in die Erinnerungskultur integrierte Attentat wurde jedoch nicht immer als durchweg vorbildlich aufgefasst. Der Österreicher Alfred Hrdlicka beispielsweise schuf über das Attentat einen 53-teiligen Bilderzyklus, in dem er sich kritisch, provokativ und lautstark mit den schwelenden Gefahren von Militarismus, Ordnungswahn und Gewalt auseinandersetzt. Der aufwühlende Zyklus ist noch bis zum 29. August im Willy-Brandt-Haus in Berlin zu sehen.