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Montagskaffee #32

Guten Tag.

Uff. Buchmesse. Frankfurt. Mittwoch bis Sonntag. Niederlande. Bücher. Menschenmassen. Buchpreis. Ach ja. Buchpreise. Heute wird in Frankfurt schon einmal vorab, sozusagen zum Vorglühen auf die Messe, der Deutsche Buchpreis verliehen. Buchhändler im Land planen schon einmal nervös die Umdekoration der Schaufenster und wappnen sich für die plötzliche Flut an Literaturexperten. Und die Seite Zwei? Gibt sich uninteressiert. Meinungen zum Preis gibt es wie Sand am Meer, auf den Schönen Seiten auch einen launigen Blick hinter die Kulissen und in den gängigen Leitmedien die entsprechenden Lang- und Kurzlisten. Wie stehen denn die Wetten für heute Abend? Manchmal glaube ich, dass die Preisverleihungen in England, dem Land in dem man auf praktisch alles wettet, einfach spannender wären. Apropos Ausland: Sophie Weigand hat sich die Mühe gemacht, mal die Wirkung des Buchpreises im Ausland zu ergründen und ist zu einer recht nüchternen Erkenntnis gekommen: Schon wichtig, aber längst kein Freifahrtschein für Massenerfolg. Hilft aber durchaus bei der Vermarktung.

Das ist er doch letztlich oder nicht? Ein Vermarktungsinstrument. Schon klar, dass Autoren sich über das Preisgeld freuen, würde ich ja auch. Aber der ganze Hype? Die Hysterie? Die endlosen Debatten über berechtigt oder unberechtigt verliehene Preise, Auswahlkriterien, Zusammensetzung von Jurys …? Die Preise sind immer mehr oder minder willkürlich. Angesichts der schieren Menge an Publikationen, allein auf dem deutschen Buchmarkt, kann kein Preis der Welt für sich beanspruchen, alles geprüft und wirklich eine objektive Auswahl getroffen zu haben. Dank der großartigen Debattenkultur, die uns die Freiheit des Netzes eingebracht hat, wird ohnehin nahezu jede Entscheidung binnen Minuten angezweifelt und zum Politikum erhoben. Juroren haben es mittlerweile auch nicht mehr leicht, immerhin müssen sie nun nicht mehr nur die Qualität bewerten sondern auch noch darauf achten, ob der Preisträger nicht womöglich gar nur eine „politische Entscheidung“ gewesen sein könnte oder irgendwessen Befindlichkeiten verletzt. Dann lieber mal auf Nummer sicher gehen und einen Musiker auszeichnen. Den kennt wenigstens jeder.

Apropos, man kommt ja doch nicht vorbei am Elefant im Raum. Die Nobelpreise sind natürlich von den Problemen nicht ausgenommen, sondern leiden womöglich am meisten. Der Friedensnobelpreis macht es ja ganz entzückend vor und ist seit einigen Jahren eher eine absurde weltpolitische Farce. Den bekommen ja jetzt kriegführende Staatsoberhäupter und Wirtschaftsvereinigungen. Dass in diesem Jahr die Friedensbemühungen des kolumbianischen Präsidenten ausgezeichnet wurden, der sich zwar endlich mit der FARC geeinigt hat, dessen Bevölkerung aber offenbar nichts vom Frieden hält, ist ein historischer Treppenwitz mit Ansage. Hoffen wir mal, dass der Literaturnobelpreis diesen Weg vermeiden kann. Vielleicht sollte man nächstes Jahr mal eine Ausnahme machen, den Preis gleich dutzendfach vergeben und all jene Autoren auszeichnen, die ihn in den letzten Jahren schon „endlich mal verdient“ hatten? Ich wäre ja dafür, und im Anschluss kann man 2018 eine neue Seite aufschlagen. Oder das Buch gleich zugeklappt lassen.


Montagskaffee #12

Guten Morgen.

Es gebe gute Gründe, warum „Autoren wie Christa Wolf und Reiner Kunze, Heiner Müller und Hans Joachim Schädlich und Sarah Kirsch“ auch in Westdeutschland „so ernsthafte Leser“ fänden, orakelte Hans Mayer am 16. Juni 1979 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und setzte schon damals auf die einigende Kraft der Literatur. Heute, 25 Jahre nach der Wende, schildert Jochen Hieber in der gleichen Zeitung, weshalb diese Idee nur bedingt aufging. Nicht zuletzt Christa Wolfs Entwurf einer „sozialistischen Alternative zur Bundesrepublik“ zeigte, dass sich die DDR-Literatur nicht ganz so leicht in den Mantel einer „Einheitsliteratur“ zwängen lässt. Und doch, so Hiebers Urteil, bleibe sie „Einheitsliteratur“ wider Willen und wirke bis heute als solche, sei vielmehr so aktiv wie nie. Uwe Tellkamp, Lutz Seiler, Monika Maron … sie alle schreiben über die Wendezeit und setzen so gleichsam Mayers „große Einheitsbewegung“ fort.

Während Ingo Meyer im aktuellen Merkur den „Niedergang des Romans“ in einer neuen Auflage beschwört, stellt sich ihm Dirk Knipphals in der taz entgegen: Meyers Aufatz laufe auf den Punkt hinaus, dass Literatur sich heute vielerorts nur auf das „Droppen debattenfähiger Themen“ reduziere, dabei vergesse Meyer Autoren wie Wolfgang Herrndorf, Michael Kleeberg oder Sibylle Lewitscharoff. Damit verdeutlicht er allerdings das Problem einer literarischen Debatte, die sich mit der Beliebigkeit durch Überangebot beschäftigt: Jedes Argument muss unvollständig bleiben, weder sind alle Romane unzureichend, noch stets alle Ausnahmen genannt. Knipphals plädiert dafür, in den fallenden Diskursschranken endlich eine Chance zu sehen, „anstatt angeblich seligen Romankunstzeiten hinterherzutrauern“.

Da es aus organisatorischen Gründen in den letzten Wochen etwas ruhig war um die Seite Zwei, seien hier noch die diversen aktuellen Preisträger nachgereicht: Der Deutsche Buchpreis ging letztendlich an Lutz Seiler, Patrick Modiano erhielt den Literaturnobelpreis und der diesjährige Georg-Büchner-Preis ging an Jürgen Becker.


Montagskaffee #8

Guten Morgen.

Es ist nicht mehr lange hin, bis auch in diesem Jahr wieder der Deutsche Buchpreis verliehen wird. Die Entscheidung ist bereits in die zweite Runde vorgedrungen, mittlerweile wurde die Shortlist veröffentlicht, auf der noch sechs Titel übrig geblieben sind. Neben Thomas Hettches historischem Preußenroman Pfaueninsel stehen noch auf der Liste: Angelika Klüssendorfs April, Gertrud Leuteneggers Panischer Frühling, Thomas Melles 3000 Euro, Lutz Seilers Kruso und Der Allesforscher von Bruno Steinfest.

Natürlich gerät die literarische Landschaft darüber alljährlich in helle Aufregung und so überrascht es wenig, dass die Debatten auch in diesem Jahr wieder mit verbitterter Vehemez geführt werden. Natürlich hätte es dieser und jener schon auf die Long- und erst recht auf die Shortlist schaffen müssen, vor allem die Frauen würden vernachlässigt und überhaupt sei die Auswahl doch eh stets zum Vorteil der Herbstautoren. Es überrascht, dass die Qualität der Bücher erst einmal keine Rolle zu spielen scheint, sondern vielmehr das Geschlecht der Autoren (respektive natürlich auch Autorinnen). Doch beißt sich nicht die Argumentation über arbiträre Auswahlkriterien hier selbst in den Schwanz, wenn indirekt eine Geschlechterquote gefordert wird, für die die literarische Qualität der Texte erst einmal zweitrangig ist? weiterlesen