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Tagung: Literatur des Mittelalters im Fantasyroman

Der Grenzwall zwischen im Feuilleton diskutierter Höhenkammliteratur und tatsächlich gelesener Trivialliteratur ist in den letzten Jahren – sehr zu recht – ordentlich geschliffen worden. Ihren Beitrag dazu geleistet hat nicht nur die „Demokratisierung“ des Diskurses über Literatur durch die vielfältigen Literaturblogs im Netz, sondern auch die Popularität ehemals trivialer Genres. Während jede deutsche Kleinstadt mittlerweile mindestens einen literarischen Mordermittler hat und das Bild Skandinaviens mittlerweile das eine düster-psychotischen Mörderlandes sein müsste, brachte Hollywood die epische und fantastische Literatur auf die Leindwand und damit in den „Mainstream“. Der Herr der Ringe, Der Hobbit, Die Tribute von Panem, Das Lied von Eis und Feuer … die Liste ließe sich fortsetzen.

Insofern scheint es nur konsequent, dass sich auch die Literaturwissenschaft verstärkt den populären Genres widmet. An der Universität Siegen wird am kommenden Wochenende (7. bis 9. April) eine hochinteressante Tagung zum Thema „Die Literatur des Mittelalters im Fantasyroman“ stattfinden. Dabei sollen explizit nicht Fehler bei Iny Lorentz nachgewiesen werden, sondern Parallelen zwischen mittelalterlicher Erzählkunst und heutiger Fantasyliteratur gezogen werden. Das umfangreiche Programm reicht von J.R.R. Tolkien über das Nibelungenlied bis George R.R. Martin und sucht nach Erzählstrukturen und und Handlungsmustern über Gattungs- und Epochengrenzen hinweg.

Die Literatur des Mittelalters im Fantasyroman. Formen einer populären Rezeption
Siegen, 7.-9. April 2016
Adolf-Reichwein-Str. 2, AR-X 104
Veranstalter und Kontakt:
Nathanael Busch / Hans Rudolf Velten


„Game of Thrones“ holt Romanvorlage ein

George R. R. Martin ist in Verzug. Was viele bereits vermuteten, ist eingetreten: Er wird es nicht schaffen, den anstehenden nächsten Band der Fantasy-Reihe The Song of Ice and Fire pünktlich fertigzustellen. Seit mehr als fünf Jahren schreibt er nun an The Winds of Winter, vor April wird er aber damit nicht fertig.

Nun ist Martin nicht der erste Schriftsteller, der seine Fortsetzungen nicht so schnell liefern kann, wie es die Leserschaft gerne hätte. Interessant daran ist aber, dass ihn damit die HBO-Fernsehserie Game of Thrones praktisch eingeholt hat. Deren sechste Staffel wird im April auf Sendung gehen und damit Material zeigen, zu dem es noch keine (veröffentlichte) Romanvorlage gibt. Es tritt also eine aus literarischer Sicht bemerkenswerte Situation ein, in der die Adaption die Vorlage überholt und wohl künftig ohne Vorlage weiter arbeiten wird.

Man darf wohl davon ausgehen, dass Martin auch in Zukunft eng mit den HBO-Produzenten zusammenarbeiten wird und wohl schon die grobe Handlung für den weiteren Verlauf im Kopf hat. Aber dennoch stellt sich die Frage, ob es in dem Moment eine Umkehrung geben wird und Martin für die noch ausstehenden Romane letztlich von der schon vorab erschienenen TV-Version beeinflusst wird oder ob er letztlich Entscheidungen trifft, die in der Serie nicht umgesetzt wurden und dadurch zwei unterschiedliche Handlungslinien entstehen, was Martin quasi bereits ankündigte.

Am Erfolg beider Serien, Roman wie TV, wird dies wohl nichts ändern, allerdings dürfte manch Fan wohl mit Wehmut dem gern und oft betonten Überlegenheitsgefühl hinterhertrauern, dass man dem Fernseh-Plebs doch zumindest voraus habe, als „echter Fan“ die Romane gelesen zu haben.


Montagskaffee #26

Guten Morgen.

Der musikalische Teil des NSK-Staats (früher Künstlerkollektiv „Neue Slowenische Kunst“), Laibach, hat es geschafft, als erste westliche Band überhaupt in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang zu konzertieren. Damit ist den subversiven Musikern, die seit 1980 für anhaltende Irritation und Verwirrung bei eher eindimensionaleren Feuilletonisten stiften, ein Meisterstück gelungen. Wie die SZ treffend formuliert, war es ein Konzert der wohl provokativsten Band im wohl ironiefreisten Staat der Welt. Leider ist es wohl auch Teil dieser herrlich irrwitzigen Ironie, dass das Niemandem in Nordkorea aufgefallen ist. Laibach provoziert und verstört, der von der Band überzeichnet portraitierte dysfunktionale Totalitarismus sorgt hierzulande für Debatten und Faschismusvorwürfe, in Nordkorea aber trifft er auf sein gelebtes Konterpart. Wenn die slowenischen Musiker in Uniform zu martialischen Klängen nordkoreanische Volkslieder interpretieren, halten sie den anwesenden Parteisoldaten einen Spiegel vor, ohne dabei im Geringsten lustig sein zu wollen. Gerade weil die dargestellte Absurdität so sehr der nordkoreanischen Realität entspricht und die Partei selbst zu dieser verstörenden Einlage eingeladen hat, kann und darf niemand seine Empörung äußern. Von einem comic relief durch Lachen ganz zu schweigen. Für Laibach ist die Welt eine Bühne. Absolut.

Apropos nicht beabsichtige Komik: Wer noch vor einer Weile lakonisch kommentierte, eher veröffentliche Harper Lee eine Fortsetzung als George R.R. Martin, hatte ja kürzlich auch die Lacher auf seiner Seite. Auf weitere Überraschungshits von vor 50 Jahren müssen wir aber wohl verzichten, bei einer gründlichen Durchsuchung des ominösen Schließfaches der mittlerweile 89-jährigen Autorin sind keine weiteren unpublizierten Manuskripte entdeckt worden. Das zumindest meldet das Wall Street Journal. Neben dem originalen Typoskript von To Kill a Mockingbird enthalte das Depot einen früheren Entwurf des Romans als Typoskript und eine spätere, überarbeitete Version. Letztere dürfte zumindest aus editorischer Sicht hochinteressant sein. Aber wer weiß, schon die Entdeckung des Manuskripts von Go Set a Watchman war ja eher merkwürdig.

Zuletzt noch eine Personalie: Die Ufa springt auf einen aktuellen Trend auf und führt eine Doppelspitze ein, in die der bisherige Ufa-Fiction-Chef Nico Hofmann aufrückt. Zumindest bis September 2017 soll er jetzt zusammen mit dem bisherigen Allein-Chef Wolf Bauer an der Spitze stehen, dann werde dieser abtreten und sich nur noch als Produzent beteiligen. Die Produktionsfirma verkauft das als weise Personalpolitik angesichts digitaler Transformationsprozesse und auch die Presse und die Branche klammern sich an die Idee vom Wunderkind-Hofmann als „moderner König Midas“ (Berliner Zeitung) und Retter der „alten Tante Fernsehen“ (Handelsblatt). Trotzdem kann ich den Eindruck nicht abschütteln, dass hier der Junge vom Alten erst einmal an die Hand genommen wird, statt ihm einfach Vertrauen zu schenken und ihn mal machen zu lassen. Aber dem Fernsehen ist es ja schon immer schwer gefallen, mal auf ein anderes Pferd zu setzen, wenn das alte angefangen hat zu riechen.