„By cell count, humans are approximately 50 percent microbial, meaning that about half of the cells that make you up are not yours at all. There are something like a thousand times more microbes living in my particular biome than there are humans on earth, and it often feels like I can feel them living and breeding and dying in and on me. I wiped my sweaty palms on my jeans and tried to control my breathing. Admittedly, I have some anxiety problems, but I would argue it isn’t irrational to be concerned about the fact that you are a skin-encased bacterial colony.“ (S. 3, Herv. im Orig.)
Ich habe John Green vor einigen Jahren als einen dieser nerdigen Brüder kennengelernt, die sich auf YouTube lustige Videos schicken. John war der, der sich gelegentlich mit Filzstiften bemalte, später einen kleinen Sohn bekam und wohl noch immernoch geradezu existenzielle Höhenangst hat.
Später habe ich dann herausgefunden, dass er nicht nur klug über Literatur spricht, sondern auch selbst Bücher schreibt. Green hatte gerade seinen jüngsten Roman The Fault in our Stars fertiggestellt, der dann wohl auch recht gut ankam. Gut, das ist dann etwas hochgkocht und mittlerweile kann er auf Lesereise wohl Stadien füllen, aber in meiner kleinen Welt ist er immernoch einer dieser Brüder von YouTube.
Mit Turtles all the Way Down erschien dann im vergangenen Jahr sein jüngster Roman, der ebenfalls auf dem besten Wege ist, zum Kultbuch zu werden.
Aza, Teenager kurz vor Ende der Highschool, Halbwaise und geplagt von einer psychischen Störung, die ihr einzureden versucht, sie könne sich an jeder Ecke mit dem gefährlichen Balterium Clostridium difficile infizieren und letztlich an einem simplen Kuss sterben, ist dieses Mal die Hauptfigur der Geschichte. Es geht um ihr Verhältnis zu Davis Pickett, einem Freund aus Kindertagen, dessen steinreicher (und latent krimineller) Vater verschwunden ist. Am Verschwinden von P. Sen. ist eine kleine Krimihandlung angeknüpft, die aber schnell versickert und insgesamt nebensächlich bleibt. Im Vordergrund stehen die verwirrenden Emotionen von Teenagern, die innere Zerrissenheit von Aza, ihr Umgang mit und Scheitern an der psychischen Erkrankung sowie die Frage, ob man einen Einfluss darauf hat, wer man ist oder ob nicht die Verhältnisse, Zufälle (oder ein millardenstarkes bakterielles Mikrobiom) das eigene Denken, Handeln und Schicksal bestimmen.
Stilistisch bleibt John Green auf bekannt hohem Niveau. Seine Figuren sind glaubhaft, lebensnah und schlagfertig, die Dialoge überzeugen ebenso wie Azas Innensicht und die Schilderung ihrer Krankheit. Auch der für Green typische, leicht schwarz-fatalistische Humor kommt nicht zu kurz.
Insgesamt bleibt die Handlung aber leider zurückhaltend und vorhersehbar, im Grunde gibt es eigentlich kaum etwas, das wirklich passiert. Auch emotionale Achterbahnfahrten wie in den Stars oder im Erstling Looking for Alaska gibt es dieses Mal nicht. Insgesamt bleibt Turtles daher zu zahm, zu sehr an der Darstellung des Musterbilds vom „anxious Teenager“ verhaftet. Selbstredend sind psychichische Erkrankungen nicht nur ein Topos und in jedem individuellen Fall ernstzunehmen. Aza als literatische Figur hingegen wirkt mir ein bisschen zu sehr, als hätte Green nur seine Kernzielgruppe bedient. Für Nicht-mehr-Teenager hätte es ruhig etwas mehr sein dürfen.