Montagskaffee #25

Guten Morgen.

Will man in der modernen Gegenwart Ängste schüren, braucht es keine Gruselgestalten, sondern einfacher, jedoch möglichst kryptischer Abkürzungen, die so abstrakt gehalten sind, dass sich niemand etwas Konkretes dahinter vorstellen kann. So ist es dann ganz wunderbar möglich, diffuse Ängste auf bedrohliche Kürzel wie EHEC, H5N8, ACTA oder TTIP zu projizieren. Je weniger der Einzelne über das Phänomen hinter dem Akronym weiß, desto besser. Dass sich hinter letzterer Abkürzung die Transatlantic Trade Investor Partnership zwischen den USA und der EU verbirgt, ist mittlerweile bekannt; der Inhalt jedoch eher nicht. Die Diskussion ist stattdessen geprägt von dämonischen Chlorhühnchen und dem stets gern zitierten „Untergang des Abendlandes“. Indes, so problematisch die Intransparenz der bisherigen Verhandlungen war und so gefährlich eine mögliche Unterminierung des Rechtsstaates durch außerstaatliche Schiedsgerichte noch ist, so wenig vollständig „des Bösen“ ist das Abkommen auf der anderen Seite. Dies versucht auch Manuela Lück auf den Seiten der Kulturpolitischen Gesellschaft herauszustellen, wo sie sich mit den Auswirkungen von TTIP auf die Kultur beschäftigt.

Was auf dem stARTcamp in Münster begann, durch einen Artikel von Wolfgang Ullrich in der Zeit an die breite Öffentlichkeit gelangte, hat mittlerweile eine recht umfangreiche Debatte ausgelöst: die Frage nach der Banalisierung der Kunst durch die gegenwärtige Kunstvermittlung. Dass Ullrichs durchaus polemischer Beitrag eine solche Welle des Protests auslöst, könnte man als das Bellen der getroffenen Hunde interpretieren. Interessant ist es aber allemal und wichtig noch dazu, um die Blasenbildung zu vermeiden, die Christian Henner-Fehr in seinem Beitrag erwähnt. Die Diskussion überblickend hat sich Christian Henner-Fehr gleich noch einmal dem Thema gewidmet und in seiner Replik eher Fehler im System ausgemacht als ein generelles Scheitern der Kunstvermittlung. Ein interessanter Aspekt, der meiner Ansicht nach in die richtige Richtung geht. Für erfolgreiche Vermittlung darf es nicht bei der reinen „Dabei sein ist alles“-Haltung bleiben. Wenn Tweetups und der Web-2.0-Auftritt der Museen reiner Selbstzweck des Marketings sind, wird es in der Tat banal. Man merkt als Besucher recht schnell, wenn die Kuratoren mit der Werbung und Vermittlung nur wenig am Hut haben: Oft bleiben dann die Versuche substanzlos und oberflächlich, während die Inhalte der Ausstellungen durchaus tiefgründig und höchst anspruchsvoll sind. Damit soll keine Abflachung der Ausstellungsinhalte gefordert werden – sonst sind wir schnell wieder bei Ullrich – sondern eine frühzeitige Integration der Vermittlung in den Entstehungsprozess, wie es auch Christian Henner-Fehr anmerkt. Und mehr Akzeptanz seitens der Wissenschaftler für die Ziele der Vermittler und Vermarkter. Denn die Zeiten, in denen Museen reine Musentempel für das akademisch gebildete Bürgertum waren, sind wohl auch vorbei.

Über Tobias Illing

Germanist und Kulturmanager mit angeborener Lust zu Lesen und einem Zweitwohnsitz im Internet. Autor von http://www.paginasecunda.net Zeige alle Beiträge von Tobias Illing

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